Lines
Eines Tages im Frühjahr 1998 spazierte ich mit meinen Hunden Monty, der am 2. Weihnachtstag ´96 in einer krefelder Mülltonne entsorgt worden war und Maya, die ich im Sommer ´97 persönlich aus Spanien geholt hatte, einen von mir öfters genutzten Feldweg entlang. Was ich dann plötzlich sah, sah ich nicht wirklich, oder?! Am Wegesrand stand ein winziges Ponyfohlen, angebunden an einen ausgebrannten Trecker und versuchte etwas durchgewachsenes Gras zu knibbeln. Ich versuchte, meine Fassung zurück zu bekommen und schellte am nächsten Haus, wo ich die Ursache vermutete. Recht gehabt! Auf meine nicht unbedingt freundliche Frage, was das sollte, bekam ich die knochentrockene Ansage: "Kannste mitnehmen!". Äh, wie bitte?! Ich zögerte nicht, jedoch war es grade schlecht, denn ich besaß damals weder Anhänger, noch Zugfahrzeug und mir fiel spontan auch niemand ein, der mir eben helfen würde. Ich erklärte dies und ich bekam zur Antwort, ich solle 50 DM geben, dann käme das Pony zu mir. Ich eilte kopflos davon, besorgte die 50 DM und gab sie, völlig ins Blaue, ab. Risiko! Aber hatte ich eine Wahl?! Nein! Am nächsten Tag hing das Pony nicht am Trecker und es war woh besser, nicht zu quängeln. Ausserdem nahmen mir die anderen Tiere und mein Job die Zeit, irgentwie anders tätig zu werden. Einige Tage später kam ein Laster die Einfahrt zu meinem gepachteten Stall entlang. Ein Zwölftonner mit der Aufschrift "Kühltransport". Wunderte mich nicht weiter, hatte doch die Nachbarscheune ein LKW-Schrauber gemietet, der sicher gleich käme und nach dem Laster schaute. Der Fahrer schaute mich grimmig, aber wissend an und rangierte geschickt rückwärts vor mich und meinen Stalleingang. Nanu?! Eine seltsame Gestalt, 1,70m lang und 1,70m breit, quoll aus dem Fahrerhaus, mit einem Blick wie zwischen dem siebten und achten Tötungsdelikt des Tages, sagte aber kein einziges Wort. Er öffnete den Laderraum und begann, Zierpalmen zu entladen und zu sortieren. Ich dachte nur schadenfroh:" Tja, Cowboy, wenn Du nicht fragst, sag ich Dir auch nicht, daß HIER garantiert niemand Zimmerpflanzen bestellt hat!".Er schliff Topf für Topf und ich fegte einfach weiter. Plötzlich hörte ich Getrappel und das Summen der Laderampe. Ich drehte mich um und sah den Mann neben dem 5x kleineren und 5x leichteren Treckerpony abwärts sinken. Er drückte mir den kleinen Mann in die Hand, lud die Palmen wieder ein, quetschte sich hinter das Steuer und weg war er. Sprachlos, aber glücklich brachte ich das Tierchen in die vorbereitete Box und wie er da so traurig stand, wirkte er, als fehle ihm ein Schnuffeltuch wie bei den Peanuts und *zack* hieß er LINES. Er ließ sich, völlig unterkühlt, von seinen krummen Beinchen ins Stroh fallen und irgentwie waren gerade die Lebensgeister erloschen. Er röchelte und zitterte und ich raste los, man schrieb damals ja das Zeitalter v.V. (=vor Vodafone), um den Tierarzt zu rufen. Mit der Maßgabe "Neuzugang, ist dringend!" kam er auch blitzschnell angefahren, zumal er ja Aktionen dieser Art bereits von mir kannte. Er betrat den Stall und sagte nur:"Was hast Du da wieder gemacht?!". Ich entgegnete nur: "Bitte wieder ganz machen!". Er war nicht sehr erfreut, betonte, es gäbe keine dollen Experimente mit diesem halbtoten Tier, war aber bereit, eine Versuch zu starten. Er stellte fest, daß dies kein Miniponyfohlen war, sondern ein Shettykind, welches höchsten drei Monate alt und viel zu klein war, um ohne Muter klarzukommen. Wir konnten Lines also nur leichte Medikamente geben und ich sollte zusehen, daß ich Futter und Wasser in dieses kleine Etwas reinbekam. Täglich kam der Doktor, aber es brachte nichts. Ich flösste dem Kleinen "Alete Möhrengrütze für das unterentwickelte Kind" ein, half aber auch nichts. Nach wenigen Tagen streikte der Tierarzt und sagte:"Tod oder Weltmeister; wir jagen ihm jetzt eine fette, chemische Keule in die Vene. Entweder schläft er davon ruck-zuck friedlich für immer ein, oder er steht morgen wie eine Eins!" Hatte ich eine Wahl?! Nein! Abgesehen davon war ich sofort einverstanden, denn mein Tierarzt war der beste überhaupt und wusste, was er tat. Wir bauten die Infusion ans Pony und ich beobachtete es jede Sekunde. Nichts tat sich. Irgentwann musste ich gehen, die anderen Tiere versorgen, arbeiten und ausserdem hatte Docteure gesagt, ich nerve das Pony mit meiner inneren Unruhe und Anwesenheit. Angstvolle Stunden folgten. Als ich wieder in den Stall kam, lag der Infusionsbeutel leer am Boden, der Schlauch hing am Pony runter und jenes stand in einer Lache von gefühlten 25 Litern Schleim, dessen Fäden noch an seiner Nase hingen und fraß Heu. Jippieh!!! Wieder raste ich davon zum telefonieren und Docteure war sehr, sehr verwundert, aber froh. Wir behandelten Lines noch ca. 14 Tage weiter, mit hochdosierten Mineralien, Antibiotika und Durchfallvorbeugung. Er verlor langsam sein ekeliges Fell und wurde immer munterer. Seine spätere Entwicklung verlief völlig normal, er hatte zum Glück keine Folgeschäden davongetragen! Lines war seitdem niemals wieder krank und lebt heute glücklich und zufrieden mit Zwergmuli Luigi in einer Männer-WG! Auf weitere 16 Jahre mit Lines und sehr, sehr gerne auch mehr!!!